Forschungsbericht

Klimawandelbedingte Änderungen des Wasserbedarfs und der Stickstoff-Düngung für den Gemüseanbau im Hessischen Ried


Details zur Publikation

UntertitelAbschlussbericht

AutorenlisteZinkernagel J., Berthold G., Schmidt N., Mayer N.

Jahr der Veröffentlichung2018

URLhttps://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/klima/INKLIM__A/land-und-forstwirtschaft/gemuesebau.pdf

SprachenDeutsch


Abstract

Das Hessische Ried ist eine wichtige landwirtschaftliche Anbauregion in Hessen, wobei der Freilandgemüseanbau einen überdurchschnittlichen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmacht. Die Tatsache, dass der Gemüsebau mit zu den größten Wasserkonsumenten gehört, verdeutlicht die Anfälligkeit des Gemüsebaus hinsichtlich klimawandelbedingter Veränderungen der Wasserverfügbarkeit. Verstärkend wirkt die geringe Toleranz von Gemüsekulturen gegenüber Wasserdefizit. Denn im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Kulturen führt Wassermangel bei Gemüsekulturen rasch zum Totalausfall der Ernte, da diese nicht mehr zu vermarkten ist. Der hohe Bewässerungsbedarf ist mit einer erhöhten Nitratauswaschungsgefährdung verbunden. Eine Reduzierung dieser steht im Fokus der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) und der Nitratrichtlinie. Die betrachteten Klimaprojektionen zeigen, dass die Anforderungen an den Gemüsebau hinsichtlich Wasserversorgung und Vermeidung von Nitrataustrag weiter zunehmen werden. Für die Region Hessisches Ried wurde deshalb eine Abschätzung des zukünftigen Wasserbedarfs durchgeführt, um sowohl kultur- als auch standortspezifisch die Beregnungsmengen und ihre zeitliche Verfügbarkeit abschätzen zu können. Hierbei wurde der Fokus auf die regional bedeutsamsten Kulturen Zwiebel, Buschbohne und Spargel gelegt.
Die Klimaprojektionen basierten auf den Regionalisierungsmodellen WETTREG 2010, REMO und C-CLM, die durch zwei verschiedene Globalmodelle angetrieben wurden (ECHAM5 sowie HadCM3); dabei wurde das Szenario A1B zugrunde gelegt. Die Analyse der Niederschlagscharakteristika zeigte für alle verwendeten Kombinationen aus den Regionalisierungs- und Globalmodellen eine starke Umverteilung der Niederschläge vom Sommer (bis zu -24%) hin zum Winter (bis zu +18%). In allen Projektionen ergaben sich höhere Häufigkeiten und eine zeitliche Verlängerung von niederschlagsfreien Perioden innerhalb der Vegetationsperioden. Die zukünftige kulturspezifische klimatische Wasserbilanz basierte auf der Berechnung der (potentiellen) Evapotranspiration (ETc) nach FAO 56 (Allen et al. 1998), unter Berücksichtigung von Entwicklungsstadien der Gemüsepflanzen (kc Werte) und des Niederschlages. Im Vergleich zur Referenzperiode (1971 - 2000) nahmen für die Zeiträume 2031 - 2060 und 2071 - 2100 in allen vier Modellkombinationen die Evapotranspirationsraten zu. In Kombination mit dem Trend abnehmender Niederschläge führte dies zu einer stärker negativen klimatischen Wasserbilanz (KWB) und damit zu einer Zunahme der Wasserbedarfe in der gemüsebaulichen Produktion. Für Zwiebeln umfasst die zukünftige kulturspezifische KWB (30jähriges Mittel 2071 - 2100) einen Wertebereich von -94 bis -250 mm, für Buschbohne von -6 bis -80 mm und für Spargel von -40 bis -140 mm. Die großen Bandbreiten sind den unterschiedlichen Ausprägungen der Klimaprojektionen hinsichtlich der modellierten Niederschlagsverhältnissen geschuldet. Dies macht deutlich, dass nur die Verwendung von einer ausreichenden Anzahl möglicher Klimaprojektionen zu belastbaren Aussagen hinsichtlich Veränderungen des Wasserhaushaltes führen.
Die Kalkulation des Zusatzwasserbedarfs erfolgte unter Anwendung der Geisenheimer Steuerung (GS) (Kleber 2014). Der Zusatzwasserbedarf für Zwiebeln verschiebt sich von 74 bis 317 mm in 1971 - 2000 auf 140 bis 416 mm in 2071 - 2100, für Buschbohne von 7 bis 130 mm auf zukünftig 8 bis 172 mm und für Spargel von 0 bis 226 mm auf 10 bis 452 mm. Die Modellierungen der zukünftigen Zusatzwasserbedarfe ergeben ebenfalls große Spannbreiten. Deutlich wird jedoch, dass mit einem deutlichen Mehr an Zusatzwasser zu rechnen sein wird. Neben der Bewässerungsmenge nimmt auch die Anzahl der Einzelgaben für alle drei Kulturen zukünftig zu. Dies geht mit erhöhten Zeitbedarfen für die Wasserversorgung der Kulturen einher.
Die vorgefundenen Bandbreiten hinsichtlich der Wasserhaushaltsgrößen sowie das Auftreten signifikanter Trends erwiesen sich in erster Linie von dem regionalen Klimamodell und dem jeweils als Antrieb verwendeten globalen Klimamodell abhängig. Beispielsweise simulierte WETTREG 2010 generell signifikante Trends, aber eine geringe Bandbreite. REMO und C-CLM simulierten vergleichsweise eine höhere Bandbreite, aber nur teilweise signifikante Trends. Bei Verwendung von C-CLM, angetrieben durch ECHAM5 sowie HadCM3, ergaben sich je nach Antrieb unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der Signifikanz. Die Verwendung von Ensembles (d.h. möglichst vieler Kombinationen aus Global- und Regionalmodellen), um belastbare Aussagen über eine mögliche zukünftige Entwicklung zu erhalten, ist daher dringend geboten. Zur Abschätzung praktischer Konsequenzen aus dem Mehrbedarf an Beregnungsmenge und der Zunahme der Bewässerungshäufigkeit wurden die Bewässerungskosten für die Sommertrockenzwiebel, Buschbohne und Bleichspargel kalkuliert. Die Bewässerungskosten berücksichtigten sowohl die Bewässerungsmengen, die Anzahl aller Einzelgaben und die Bewässerungstechnik (Rohrberegnung und Tropfbewässerung). Auf Grundlage des simulierte n Klimawandels kommt es zukünftig zu einem erhöhten Zusatzwasserbedarf und damit verbunden zu einer Erhöhung der Kosten für die Bewässerung. Dabei werden die Kosten für das Betreiben der Bewässerungsanlagen weniger durch die Mengen an Beregnungswasser, sondern durch die Maschinen- und Personalkosten geprägt. Eine automatisierte Bewässerungssteuerung würde somit Kosten und Personalaufwand für die Bewässerung deutlich reduzieren. Die Kostensteigerung verstärkt sich für Standorte mit geringer nFK durch die Notwendigkeit kleinerer und damit häufigerer Wassergaben.
Ein zukünftig erhöhter Bedarf an Bewässerung kann zur Folge haben, dass mit der vorhandenen Bewässerungstechnik, wie bspw. mobilen Beregnungsanlagen, der gestiegene Bedarf einzelner Schläge nicht mehr effizient umgesetzt werden kann. Daraus lässt sich schließen, dass in einigen Fällen neben den Betriebskosten insbesondere hohe Investitionskosten für Neuanlagen zu erwarten sind. Die Frage, ob der Zusatzwasserbedarf auch unter der Annahme veränderter Anbauzeiträume zunimmt, wurde mithilfe des Zusammenhangs zwischen Temperatur und Phänologie beantwortet. Die simulierten thermischen Vegetationsperioden für die beiden Zukunftsperioden verlängerten sich signifikant im Vergleich zur Referenzperiode, wobei sowohl eine Verfrühung der Anbauperiode (Aussaat- und Pflanztermine bereits in den Wintermonaten) als auch ein späteres Kulturende zu verzeichnen war. Die zeitliche Adaptierung der Kulturführung auf die veränderten Vegetationsperioden machte sich überwiegend durch niedrigere kulturspezifische Wasserbedarfe aufgrund weniger negativer kulturspezifischer KWB bemerkbar. Hingegen wies eine zeitlich unveränderte Vegetationsperiode (März bis Oktober) eine zukünftig stärker negative kulturspezifische KWB und damit einen steigenden Wasserbedarf auf.
Die Wirkung der projizierten Umverteilung von Niederschlägen aus den Monaten Mai bis August in die Monate September bis April wurde im Rahmen eines Lysimeterversuchs untersucht. Im Vergleich zur Kontrolle, die die Niederschlagsverteilung von Mannheim der Jahre 1971 bis 2000 simuliert, wurden die Niederschläge in den Monaten Mai bis August um jeweils 10, 20 oder 40% reduziert. Die Bewässerungsmenge stieg in den drei Versuchsjahren um maximal 27 bis 48 mm bei verschiedenen Szenarien an. Die Sickerwasserbildung und die damit einhergehenden Nitratausträge traten im Wesentlichen ab Ende Oktober bis Anfang Mai der darauffolgenden Jahre auf. Während der Wachstumsphasen der Zwiebeln trat keine Sickerwasserbildung auf. Die Sickerwassermengen stiegen in den drei Versuchsjahren um maximal 55 bis 77 mm pro Jahr gegenüber der Kontrollvariante an. Gleichfalls stiegen die Austauschhäufigkeiten, und damit verbunden die Stickstoffausträge, gegenüber der Kontrollvariante an.
Unter Berücksichtigung der Bandbreiten der Simulationsergebnisse kann die Konsequenz gezogen werden, dass mit dem potentiell zunehmenden Wasserbedarf und der Vulnerabilität in der Wasserversorgung einer effizienten, automatisierten Bewässerungstechnik und Bewässerungssteuerung zukünftig mehr Beachtung zukommen muss, um den Mehrbedarf an Bewässerungswasser arbeitstechnisch und kosteneffizient abzudecken. Die hohen Austauschraten, verbunden mit hohen Stickstoffverlusten, die durch die projizierten Niederschlagsumverteilungen noch gesteigert werden, sollten Anlass zu einem Überdenken der etablierten Düngergaben und Bewässerungsgaben sein.
Die Ergebnisse dieser Studien berücksichtigen nicht  die Effekte erhöhter CO2-Konzentration auf die pflanzliche Entwicklung sowie deren Wasser- und Stickstoffnutzungseffizienz. Auch ist die CO2-Wirkung auf die mikrobielle Zönose im Boden und damit auf die Stickstoffumsetzung nicht berücksichtigt. Diese Prozesse sollten künftig bei Klimafolge nfolgen-Simulationen Berücksichtigung finden.